Management der Kalbung

Autorin: Dr. Patricia Steckeler, Tiergesundheitsdienst Bayern e. V.

Eine sachgerechte Geburtshilfe sowie eine einwandfreie Geburtshygiene beugen Krankheiten der Gebärmutter der Kuh vor und sind damit entscheidend für die Fruchtbarkeit in der darauffolgenden Laktation. Ebenfalls wird durch eine entsprechende Geburtshilfe und -hygiene die Gesundheit des neugeborenen Kalbes beeinflusst und die Totgeburtenrate sowie die Kälbersterblichkeit verringert.


Entscheidend für eine stressfreie und erfolgreiche Kalbung sind:

1.    Beschaffenheit der Abkalbebox

2.    Überwachung der Kalbung

3.    Geburtshygiene

4.    Geburtshilfe

1. Die Abkalbebox

-       Größe: in einer Gruppenbox: 10 m² Platz/Tier

-       Faustregel: für eine ganzjährige Abkalbung bei einer Herdengröße von 100 Kühen werden mindestens vier Abkalbeplätze benötigt.

-       Beschaffenheit: sauber, trocken, rutschsicher, leicht zu reinigen und zu desinfizieren, Fixationsmöglichkeit für die Kuh

-       niemals als Krankenbox nutzen

-       Umstellung in die Abkalbebox spätestens ein bis zwei Tage vor dem errechneten Kalbetermin

2. Überwachung der Kalbung

-       Um den Fortschritt oder eventuelle Störungen des Geburtsablaufes zu erkennen muss eine kontinuierliche Überwachung der Kalbung stattfinden (per Kamera oder durch das Stallpersonal, alle 2-3 Stunden), ggf. unter zu Hilfenahme von Geburtsmeldern

-       Erste Anzeichen (bis zu 14 Tage vor der Geburt) im Vorbereitungsstadium: Beckenbänder fallen ein, die Scham vergrößert sich, Aufeutern, Nachlassen der Schwanzspannung

-       Vorhersage des Geburtseintritts mit Hilfe von Temperaturmessungen (Abfall um mindestens 0,2 °C nach vorangegangenem Anstieg -> Geburt innerhalb der folgenden 24h)

-       Eindeutiges Anzeichen für die spätere Orientierung ob Geburtshilfe zu leisten ist: Blasensprung. Danach beginnt der die Aufweitungsphase (Blasensprung bis Durchtritt der Stirn des Kalbes durch die Scham der Kuh). Diese kann bis zu 3 Stunden bei der Kuh und bis zu 6 Stunden bei der Kalbin dauern.

-       Dokumentation der Geburtsüberwachung mit Uhrzeit, somit kann bei einem 2-3-stündigen Kontrollintervall relativ genau festgelegt werden, wann der Blasensprung war

-       Austreibungsphase: Nach Durchtritt der Stirn des Kalbes durch die Scham dauert es 15 Minuten bis das Kalb vollständig ausgetrieben wurde.

-       Nachgeburtsphase: innerhalb von 6h (max. 12h) vollständiger Nachgeburtsabgang


3. Geburtshygiene

-       die Geburtshygiene setzt sich aus der Hygiene der Abkalbebox (s.o.) und der Hygiene während der Geburtshilfe zusammen

-       vor der Geburtshilfe Scham der Kuh großflächig mit desinfizierender Seife waschen

-       ebenso die Arme und Hände der Geburtshelfer

-       Handschuhe bei der Geburtshilfe tragen

-       Auf das Ablaufdatum des Gleitgels achten und kein Gleitgel verwenden, das schon lange angebrochen ist

-       Saubere Stricke oder Geburtsketten verwenden (Stricke nach der Geburt in der Waschmaschine auskochen und in sauberer Umgebung komplett trocknen lassen, sonst Gefahr der Schimmelbildung; Geburtsketten reinigen und desinfizieren, auf Unversehrtheit kontrollieren)


4. Geburtshilfe

-       Geduld ist der beste Geburtshelfer; jede Untersuchung stört den natürlichen Geburtsablauf und birgt Gefahren von späteren Infektionen

-       Eingreifen bei Stocken des Geburtsablaufes (Zeitüberschreitung Aufweitungsphase, starkes oder unproduktives Pressen der Kuh, Lage-/Stellungs-/Haltungsfehlern des Kalbes, zbsp. nur ein Bein, Schwanz oder nur der Kopf sichtbar)

-       Kontrolle und Korrektur von Lage-Stellungs- oder Haltungsfehlern nach Blasensprung mit viel Gleitgel möglich; für den Auszug immer die Aufweitungsphase (s.o.) abwarten

-       Grundsätzlich: Zug nur mit den Wehen (auch bei Einsatz eines Geburtshelfers), maximal zwei Personen ziehen, immer unter Dammschutz (Druck mit den Händen von außen gegen die Scham);

-       eine Weitung der Scham kann durch Heißwasserduschen erreicht werden

-       Tierarzt hinzuziehen bei: zu großem Kalb (eine Hand sollte immer zwischen den Kopf des Kalbes und der Wirbelsäule der Kuh passen, auch bei Wehentätigkeit), Gebärmutterverdrehung, wenn nach 15 Minuten eigenem Eingreifen kein Fortschritt feststellbar ist                                                                                 

-       Nach Entwicklung eines Kalbes IMMER Kontrolle ob weitere Kälber in der Gebärmutter sind, Kontrolle der Kuh auf Geburtsverletzungen (Abfahren der weichen Geburtswege mit der flachen Hand) und starke Blutungen


Kolostrumversorgung

Autorin: Dr. Ingrid Lorenz, Tiergesundheitsdienst Bayern e. V.

Das Kolostrummanagement ist allgemein als der wichtigste Einflußfaktor auf die Gesunderhaltung der Kälber anerkannt. Bei der Kuh können während der Trächtigkeit keine Abwehrstoffe gegen Infektionskrankheiten (Immunglobuline) über das Blut auf das Kalb übergehen. Ohne die frühzeitige Aufnahme von Kolostrum ist das Kalb daher Infektionen völlig schutzlos ausgeliefert.

Ein erfolgreiches Kolostrummanagement ist abhängig von:

  1. Qualität des Kolostrums
  2. Menge des aufgenommenen Kolostrums
  3. Zeitpunkt der Kolostrumaufnahme
  4. Sauberkeit des Kolostrums

Kolostrumqualität 

Als Kolostrum wird nur das Erstgemelk der frischgekalbten Kuh bezeichnet. Die Kolostrumqualität wird durch den Gehalt an Immunoglobulinen bestimmt und ist bei Milchrassen und milchbetonten Zweinutzungsrassenassen prinzipiell schlechter als bei Fleischrassen. Neben der bedarfsgerechten Versorgung der Kühe und Kalbinnen vor der Kalbung und der Vermeidung von Hitzestress ist der Zeitpunkt des Ermelkens des Kolostrums der entscheidende Faktor für die bestmögliche Qualität. Das Kolostrum muss unmittelbar nach der Kalbung ermolken werden. Nach sechs Stunden hat die Qualität schon um 20 % abgenommen.

Die Überprüfung des Gehaltes an Abwehrstoffen ist einfach und kostengünstig mit Hilfe eines Brix Refraktometers möglich. Hierbei kann bei Werten von 22 Brix % und darüber von guter Kolostrumqualität ausgegangen werden. Bei Werten unter 18 Brix % sollte auf eine Kolostrumreserve für die Erstversorgung zurückgegriffen werden.

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Für Notfälle sollte Kolostrum guter Qualität in kleinen Portionen eingefroren werden. Hierfür können handelsübliche Tiefkühlbeutel hergenommen werden, da diese für das Auftauen im Wasserbad eine große Oberfläche bieten. Das Kolostrum darf unter keinen Umständen über 60°C erhitzt werden, da sonst die Antikörper zerstört werden. Bei -20°C eingefroren ist Kolostrum mindestens ein Jahr haltbar.

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Menge des aufgenommenen Kolostrums

Aufgrund der niedrigeren Kolostrumqualität bei Milchkühen müssen Kälber im Milchviehbetrieb mindestens drei, besser vier Liter Kolostrum aufnehmen. Reste des ermolkenen Kolostrums sollten im Kühlschrank (nicht länger als zwei Tage) aufbewahrt und bei der zweiten Mahlzeit vertränkt bzw. der Milch des zweiten Gemelks beigemischt werden. Ab dem zweiten Gemelk wird die Milch als Transitmilch bezeichnet bis sie lieferfähig ist. Auch die Verfütterung der Transitmilch hat noch positive Wirkungen vor allem auf den Darm des Kalbes. Optimalerweise erfolgt die zweite Tränke innerhalb der nächsten 6 Stunden.

Zeitpunkt der Kolostrumaufnahme

So wie natürlicherweise vorgesehen muss das Kalb in der ersten Lebensstunde mit Kolostrum versorgt werden. Kälber trinken nicht besser, wenn man länger wartet, aber die Krankheitserreger haben in der Zwischenzeit leichtes Spiel. Das Kolostrum sollte im Milchviehbetrieb von Hand über Nuckelflasche oder -eimer durch die betreuende Person angeboten werden. Trinkt das Kalb nicht oder wenig sollten so viel über eine Sonde verabreicht werden, dass das Kalb insgesamt etwa 8 % seines Körpergewichts erhält. Für ein normal großes Fleckviehkalb sind das 3 – 4 Liter. Wichtig ist in jedem Fall, dass auch bei den nachfolgenden Tränken Kolostrum oder Transitmilch verabreicht wird. Dadurch wird noch für mehrere Tage vor allem die Darmentwicklung positiv beeinflusst. Vertraut man zur Kolostrumversorgung auf das Trinken des Kalbes an der Mutter, wird nur in 50 % der Fälle eine ausreichende Versorgung erzielt. Bei diesem Vorgehen müssen die Kälber sehr gut beobachtet und kontrolliert werden. Zudem sollten die Kälber dann auf jeden Fall mindestens für den Zeitraum bei der Mutter bleiben, bis das Eutersekret reinen Milchcharakter hat und an die Molkerei geliefert werden kann.

Sauberkeit des Kolostrums

Bakterien im Kolostrum behindern die Aufnahme der Immunglobuline ins Blut. Bei allen Punkten von der Gewinnung bis zur Verfütterung, die zu einer Verunreinigung des Kolostrums führen können, muss auf höchstmögliche Hygiene geachtet werden. Die hygienische Qualität des Kolostrums kann durch Bestimmung der Keimzahlen im Labor untersucht werden. Bei Überschreitung der Grenzwerte sollte entlang des gesamten Weges des Kolostrums von der Kuh zum Kalb nach den Ursachen gesucht werden. Überprüfung der Kolostrumversorgung Ob das Kolostrummanagement im Bestand funktioniert, kann leicht überprüft werden. Hierzu werden Blutproben von 6 bis 12 gesunden Kälbern zwischen dem zweiten und dem zehnten Lebenstag auf ihren Gesamteiweißgehalt überprüft. Wenn dabei mindestens 70 % der Kälber einen Gesamteiweißgehalt von 58 g/l oder mehr aufweisen, kann von gutem Kolostrummanagement ausgegangen werden. In Beständen mit wechselndem Betreuungspersonal sind klare schriftlich niedergelegte Arbeitsanweisungen anzufertigen. Natürlich muss deren Einhaltung auch periodisch überprüft werden.

Dr. Ingrid Lorenz

Tiergesundheitsdienst Bayern e. V.

Ohrmarken einziehen - Komplikationen vermeiden

Autoren: Prof. Dr. Julia Steinhoff-Wagner, Technische Universität München und Dr. Jason Hayer, Hofgut Neumühle.

Das Einziehen einer Ohrmarke in jedes Ohr eines Kalbes in den ersten sieben Lebenstagen durch den Tierhalter ist nach der Viehverkehrsordnung gesetzlich vorgeschrieben.

Das Einziehen ist ein relativ kleiner Eingriff, der aber auch zu Schmerzen während und nach dem Eingriff sowie zu Entzündungen führen kann.

Folgende Punkte sind beim Einziehen zu beachten:

Platzierung der Ohrmarke:

o   Mittig zwischen den beiden Ohrknorpelsträngen. Das Gewebe ist hier dünner und es verlaufen in diesem Bereich auch weniger Nerven und Blutgefäße

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Abbildung 1: Anatomischer Schnitt eines Rinderohres, in welchem die Blutgefäße hervorgehoben sind. Die Ohrmarke sollte möglichst zwischen den beiden Knorpelsträngen (gelblich hinterlegt) platziert werden (roter Kreis), um große Blutgefäße nicht zu treffen. (Original von Rashid et al., 1987, stark modifiziert)


o   Die Ohrmarke sollte ausreichend Platz zu den beiden Knorpelsträngen haben und frei beweglich sein und

o   Nicht unnötig weit zur Ohrspitze hin, da dies die Gefahr des Ausreißens erhöht.


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